Der Begriff der Emanzipation

Gespeichert von Hartmut F am Di, 25/09/2018 - 14:30

 

 

1.1 Der Begriff der Emanzipation

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Emanzipation :

Emanzipation stammt von dem lateinischen emancipatio, was „Entlassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt“ oder auch die „Freilassung eines Sklaven“ bedeutet.
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Im 17./18. Jahrhundert erfolgte eine Bedeutungsverschiebung: Aus dem Akt des Gewährens von Selbstständigkeit wurde eine Aktion gesellschaftlicher und insbesondere politischer Selbstbefreiung (siehe auch Mündigkeit (Philosophie))
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https://de.wikipedia.org/wiki/Emanzipation#Individuelle_Emanzipation

Viele pädagogische und psychologische Theorien gehen davon aus, dass das Ziel jeglicher Entwicklung des Individuums die Emanzipation z. B. vom Elternhaus, von elterlichen Normen und Zielvorstellungen ist. ...

Die Emanzipation vom Rahmen einer vorgegebenen Kultur und von vorgegebenen Bedingungen erlaubt mir das Erschaffen eines eigenen Lebens, dass mehr ist als das Ausführen von Funktionen in diesem Rahmen. Das heißt nicht, dass ich das Gegebene ignoriere und besonders die darin steckende Information nicht nutze, sondern, dass ich in zunehmendem Maße entscheide, was ich will und was nicht.

Die Fähigkeit, für sich Entscheidungen zu treffen, wird je nach Gesellschaftssystem/Kultur in größerem oder geringerem Maße von Jugend an gefördert. Dennoch bleiben viele Menschen ihr Leben lang relativ unselbständig, vor allem abhängig von und gelenkt von fremden Meinungen, die sie zu wenig geprüft übernehmen.

 

 

1.2  Was soll der Begriff Emanzipatorische Lebensphilosophie?

Wenn ich mir überlege, wie ich mein Leben gestalten will, meine Lebensmöglichkeiten ausbauen und Leiden verringern will, dann gibt es Handlungen und Haltungen, die, meine Fähigkeit, in Zukunft mein Leben zu gestalten, verbessern oder verschlechtern können,abgesehen davon, wie sie jetzt meine Probleme lösen und mein Leben beeinflussen.

Wenn ich mich umbringe, löse ich damit bestimmt viele meiner Probleme in der Gegenwart, habe aber in der Zukunft wenig Möglichkeiten. Ersäufe ich mich im Alkohol, in Drogen oder in sonst etwas, sind die Folgen ähnlich. Trete ich einer Sekte religiöser, spiritueller, politischer Art bei, die mein Denken mehr oder weniger intensiv beeinflussen wird, so sind künftig alle Entwicklungswege behindert, die nicht zu der Lehre und Arbeitsweise dieser Sekte passen. „Sekte“ ist (siehe VERWEIS), jede Organisation, die sich mehr oder weniger sich von der Konkurrenz absondert und sie abwertet.

Ja, schon die Wahl von Studienrichtung, Beruf, Arbeitsplatz, Lebens- und Spaßpartnern, Wohnort, Hobbies usw sind alles Entscheidungen, die bestimmte künftige Entwicklungen meines Lebens begünstigen, andere behindern.

Unter diesen Entwicklungswegen in die Zukunft sind solche, die meine Möglichkeiten insgesamt vergrößern oder verkleinern. Aufnahme einer Ausbildung, eines Studiums, einer geeigneten Berufstätigkeit kann meine Fähigkeiten insgesamt verbessern, eine Alkohol- oder Unfall-Karriere wird sie wahrscheinlich eher verschlechtern.

Gehen wir über zu den Ansichten über die Welt und das menschliche Leben, zu den Haltungen, wie ich damit umgehe. Hier gibt es Ansichten und Haltungen, die die Weite meines Blicks eher verbreitern können und solche, die ihn eher verkleinern. Lasse ich mich auf eine bestimmte Lehre ein, so kann sich später herausstellen, ob sie richtig oder falsch war, oder es stellt sich auch nicht heraus. In jedem Falle werde ich dazu neigen, andere konkurrierende Sichtweisen eher weniger zu verfolgen und sie abzuwerten.
    
Halte ich dagegen konsequent an einer offenen Herangehensweise an neue Fragen und Gegenstände fest, so bin ich eher in der Lage, nicht nur Neues aufzugreifen und vielleicht auch zu verstehen, sondern auch, meine eigenen Irrtümer zu korrigieren.
    
Wie schon oben VERWEIS dargelegt, ist es aber nicht sinnvoll, gleichermaßen offen und tolerant gegenüber aller und jeder Lehre zu sein. Einer will alles aus dem Kupfer erklären, Andere meinen, sie könnten die Gesetze der Physik umgehen. Innerhalb von Bewegungen, die sich im weitesten Sinne als alternativ und oder spirituell verstehen, besteht leider eine starke Tendenz zum „Alles geht!“ Toleranz ist hier oft die ungeprüfte Übernahme auch der skurrilsten Theorien, vielleicht auch, damit die Anderen dann meine skurrile Theorie akzeptieren.

Unter der erdrückenden Vielzahl sich ausschließender Lehren und Meinungen eine geschickte Auswahl zu treffen, könnte man als ideologische Ökonomie bezeichnen.

Wie schon früher verschiedentlich begründet, bevorzuge ich Ansichten, Meinungen, Lehren, die mit dem verbunden Gebäude der empirischen Wissenschaft vereinbar sind und es einbeziehen, ohne dass ich mich dazu von vornherein jeder vertretenen Lehrmeinung unterwerfe.

 

Unter Emanzipatorischer Lebensphilosophie verstehe ich eine eine Ansicht von meinem Leben, eine Haltung dazu, ein Bündel von Methoden und Richtlinien für mich, von erworbenen Fähigkeiten, die mich in der Zukunft nicht einengen, nicht unter fremde Direktion stellen, sondern eher in zunehmendem Maße meine Fähigkeit verbessern, meine Situation zu beurteilen und für mich sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

Nicht will ich mich einer Lehre ausliefern, welcher Art sie auch sei, östlich-mystifiziert, westlich-mystifiziert, nüchtern „nur sachgemäß“,  „durch und durch wissenschaftlich“ oder was auch sonst, und alle ihre Vorteile und Nachteile in Bausch und Bogen herunterschlucken.

Sondern ich will Schritt für Schritt in die Zukunft gehen, bei jedem Schritt neue Informationen aufnehmen und sie sorgsam prüfen, mein Gesamtbild der Welt und meines Lebens immer wieder sorgsam erwägen, immer in der Lage, eine neue Richtung einzuschlagen und die alte zu verwerfen, ja, wenn notwendig auch zurückzugehen und Erworbenes aufzugeben, wenn es mich versklaven will.

Emanzipatorische Lebensphilosophie kann dann sein:

  • Eine relativ umfassende Sicht der Dinge, speziell meines Lebens, seiner Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft
  • Ein Lernen, das mich immer besser zur Einsicht und zum Umsetzen der Einsicht befähigt
  • Eine Sicht und ein Lernen, die sich aufwärts entwickeln, die immer bessere Bedingungen und Fähigkeiten zum Sehen und Lernen erzeugen und nicht aufgrund irgend einer der vielen Formen von Bequemlichkeit mich das Suchen und Fragen und Prüfen zugunsten eines scheinbar so schön geschlossenen Systems aufgeben lassen.

 

Wenn ich mir selbst helfen kann, bin ich nicht von Anderen abhängig, die mich retten sollen. „Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun.“ hat seinen guten Grund. Jeder Retter kann versagen oder korrumpiert werden. Versage ich selbst, so weiß ich wenigstens, warum — hoffentlich.

Will ich mich zum erwachsenen Menschen in einer erwachsenen Menschheit emanzipieren, die Verhältnisse der Unterwerfung und der Kriecherei allmählich abstreifen, dann muß ich zunehmend Verantwortung für mich und meinen Machtbereich übernehmen. Mehr Arbeit, mehr Mühe, mehr Risiko, mehr — oder weniger — Leiden? , mehr Mensch.

Unter « Ziel des Lebens » VERWEIS habe ich schon angedeutet, dass ich als meinen „Lebenszweck“ ein von mir selbst gebautes Programm nehmen kann. Ist das Programm ein vorgegebenes, das ich wie ein braver Schauspieler nur abspulen muß, so mag das zwar streckenweise amüsant ablaufen, ein „eigenes“ Leben habe ich mir damit nicht geschaffen. Nicht das es unbedingt originell sein muß, sich unterscheiden muß, aber original soll es sein, kein Abziehbild.

Habe ich keine Freiheit, mein Leben zu gestalten, so kann ich mich auch nicht von den Vormündern aller Art emanzipieren, ich bleibe ein Kind. Emanzipation im Tunnel eines vorgegebenen Prokrustesbetts ist keine Emanzipation im strengen Sinne des Wortes wie oben geschildert, eher ein Widerspruch im Begriff.

Um weiterzukommen auf dem Weg der Emanzipation muß ich also ein gewisses, vielleicht erhebliches Maß an Freiheit haben oder ich muß mir sie erkämpfen.

Will ich auf meinem Lebensweg nicht abhängig sein von der Hilfe Anderer, nicht, dass ich Hilfe nie annehmen würde, so muss ich, in Grenzen, fähig sein, mir selbst zu helfen, ggf mich selbst zu retten. Emanzipation vom unmündigen Zustand in den mündigen, mag er bequem sein oder nicht, hat die Freiheit als Fundament. Deshalb schauen wir uns dieselbe jetzt an.

Will ich mir einen Lebenszweck (siehe diesen VERWEIS) selbst geben und nicht geben lassen, so muss ich dafür hinreichend frei sein.

Begreife ich mein Menschsein als ein Aufbau eines, in Maßen, zielgerichteten Lebens, und, in Maßen, von einem selbstgegebenen Lebenszweck getragen, so muss ich dafür hinreichend frei sein.