Achtsamkeit und Freiheit

Gespeichert von Hartmut F am Di, 25/09/2018 - 17:49

 

 

Oben habe ich die inneren Zwänge aufgeführt, die mein Er-Leben und Handeln einschränken können. Psychosen, Neurosen, Gewohnheiten sollen grob die Abstufung an Bindungskraft illustrieren.

Zu den Gewohnheiten zähle ich auch mehr oder weniger unbewußte Mechanismen, Reflexe, automatische Reaktionen im Gegensatz zu bewußtem, überlegten Re-agieren.

Stephen Schettini hat sich besonders damit befaßt VERWEIS.

Diese Gewohnheiten im weitesten Sinn wirken einerseits durch ihre eingebrannte Bindungskraft. Was davon sich unbewußt vollzieht, ist noch viel schwerer zu kontrollieren und mit mir ins reine zu bringen.

Ein weiterer Block neben den Gewohnheiten, die ich im Guten wie im Bösen schon für mich als Gesetz in meine Tontafeln eingebrannt habe, sind alle Wünsche, Neigungen, Sehnsüchte, alles Begehren. In vielen Fällen ist das Ziel des Begehrens etwas für mich Gutes, dem ich auch ruhig nachstreben kann. Zum Teil ist auch das Begehren selbst angenehm, in anderen Fällen schmerzhaft.

Es bleibt aber, dass jedes gefühlte Begehren, etwas zu erlangen oder etwas loszuwerden, auf mich einen Druck ausübt, der als solcher schon meine Freiheit einschränkt. So einfach ist das.

Der frei auf seiner Wolke über der Eremo schwebende Philosoph, der sich von allem losgemacht hat, kann — oder könnte — sich am leichtesten in jede Richtung bewegen oder auch das Bewegen einfach unterlassen.

Nun bin ich mir wahrscheinlich mit vielen Menschen einig, dass Wünsche und ihre Erfüllung oft etwas Gutes für uns sind, dass völlige Freiheit von Wünschen und ihrer Erfüllung zwar eine gute Seite, aber auch eine verarmende Seite hat.

Unter "Mittlerer Weg" habe ich oben den Unterschied zwischen der Mitte zwischen Askese, Verzicht und übermäßigem Konsum einerseits und einem Asketismus andererseits hervorgehoben, der sich als "Mittlerer Weg" tarnt. Nach Bachelor ZITAT begann diese Verbiegung der Lehre Buddhas schon zu Buddhas Lebzeiten.

 

Hier bleibt nur, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass Wunsch und Freiheit sich gegenüber stehen können. Nichts davon ist neu und unbekannt.

Offensichtlich ist ein Mechanismus nötig, der beide Seiten miteinander verbindet, den Wunsch und die Freiheit, auf seine Erfüllung zu verzichten. Ein solcher Mechanismus finde ich in der ruhigen Überlegung, in der ich mir die Vorteile und Nachteile der Wunscherfüllung vor Augen führe, gegeneinander abwäge, mit Alternativen verwäge und so weiter.

Wenn ich bei dieser Überlegung möglichst eng in Kontakt mit meinen (mehr oder weniger bewußten) Gefühlen bleibe, so hilft mir das dabei, zu gewährleisten, dass die Ziele der Planung meine echten Ziele sind.

Komponenten oder Aspekte der Achtsamkeit, die meine Befreiung fördern könnten, will ich in einer Folge anordnen, vom elementarsten und am meisten automatisch ablaufenden bis zur mehr oder weniger bewußten, mehr oder weniger rationalen und mehr oder weniger vernünftigen Überlegung.

An erster Stelle steht die Aufmerksamkeit. Was mir in keiner Weise bewußt wird, ist insoweit meiner Kontrolle entzogen.

Bewußtes Steuern meiner Aufmerksamkeit konzentriert sie.  Zwar kann das Steuern meiner Aufmerksamkeit auch ein Instrument der Selbst-Manipulation sein, aber es ist die Voraussetzung für eine anhaltende zielgerichtete Befassung mit einer Situation.

Dann kann ich unterscheiden, was ich tatsächlich wahrnehme, erkenne. An dieser Stelle ist der Unterschied der wichtigste zwischen dem, was ich tatsächlich in der Außenwelt oder in der von mir „relativ objektiv“ beobachteten Innenwelt erkenne und dem, was vorgefertigte Wahrheiten sind über die Objekte meiner Wahrnehmung, aber nicht der Inhalt der Wahrnehmung selbst.

Solche vorgefertigten Wahrheiten sind nicht die Bilder, Gedanken, Ideen, die ich als solche aus meinem Gedächtnis hervorhole und als solche sachgerecht benutzen, verarbeiten kann, wohl aber die, auf die ich aufspringe und sie kritiklos als Wahrheiten akzeptiere.

Was habe ich beobachtet, mit offenen Sinnen in mir und außerhalb von mir, und was sind Fantasien, die gerade fabriziere oder fabriziert hatte, ohne sie als Fantasien, als Konstrukte meines Geistes zu erkennen?

Im Wirbel des Alltags, mitten in einem Tag voller Aktivitäten und Gespräche, ist es oft schwer, bei mir zu bleiben, in meinem Zentrum zu bleiben und dort ruhig und klar zu überlegen.  Ich renne dem Fluß der Dinge nur hinterher, was dann leicht dazu führt, dass ich Eindrücke, Aussagen, Wahrheiten übernehme, die eigentlich gar nicht die meinen sind.

Wieder etwas anderes ist es, wenn ich mir Bilder, Gedanken, Wahrheiten mehr oder weniger bewußt fabriziere, um mich von Unangenehmem, vielleicht Schmerzhaftem abzulenken. So komme ich ins Wunschdenken, das die einfach vorgegebene Realität durch eine von mir geschaffene ersetzt. Soweit ich in diesem Wunschdenken bleibe, stehe ich in Gefahr, die Welt verzerrt wahrzunehmen und dementsprechend weniger erfolgreich zu handeln — erfolgreich immer im Sinne meiner „wahren“ „heilsamen“ Ziele.

Wenn ich mich vom Wunschdenken löse und auch unangenehme Wahrheiten akzeptiere, ist die Bahn frei dafür, mir und meiner Umwelt ehrlicher gegenüber zu treten und mein Leben zu verbessern. Wenn ich Wünsche, Ansprüche, Erwartungen loslassen kann, kann ich mich von dem Zwang befreien, der von ihnen ausgeht.